Ich, Alexei Pavlovitch Belych, wurde 1923 in einer kinderreichen Familie geboren im Dorf Krutetz, im Kolpnianskii Raion im Gebiet Orlowski.
Mein Vater Pavel Petrovich war Schreiner und Kunsttischler. Meiner Meinung nach war er ein bemerkenswerter Meister seines Faches. In meiner Kindheit erinnere ich mich, dass er fast die ganze Zeit hinter der Werkbank oder der Drechslerbank stand.
Unsere Bauernkate bestand aus drei Teilen – der Wohnraum mit dem Ofen, mit den Hängepritschen und den Betten in der Mitte – die Diele und die gute Stube und der ungeheizte Teil des Hauses, wo die Werkbank stand. Mir erschien eine so große und komplizierte Anlage wie diese Werkbank, mit den beiden hölzernen Gewinde, mit welche man Bretter zusammenpressen konnte und Kanthölzer verschiedener Sorten hobeln, sägen, meißeln konnte. Überhaupt, um unentbehrliche Dinge für den Hausgebrauch zu machen, wie Stühle, Truhen, Hocker, Fensterrahmen. Meine frühe Kindheit verging mit dem Geräusch des Hobels und der Säge und durchtränkt vom Geruch der frischen Hobelspäne und dem heißen Tischlerleim. Mama, Natalia Ilinichna Belych, führte diesen ganzen Haushalt. Wir waren sechs Brüder. Man musste uns Kleider und Schuhe geben und nähen – ja nicht wenig, was man tun musste für diese störrischen Kinder, die unverschämt erwiderten wenn jemand ihnen sachlich sagte was sie zu tun hätten.
Als der älteste von uns Nikolai das 18. Jahr vollendete, wurde er mit Varuschka, einem Mädchen aus dem Nachbardorf Buchtjarovo verheiratet, auch damit sie der Mutter beim Haushalt helfe. In der Lehranstalt unterrichtete uns im Fach Zeichnen und Kriegskunde der renommierte Künstler Boris Petrovitch Volkov. In der Zeit in der er nicht unterrichtete, gab er Zeichenunterricht einem kleinen Kreis von Amateuren. Ich war sein Lieblingsschüler. Es wäre alles gut geworden, hätte nicht der Krieg angefangen.
Die Stadt Orjol wurde von feindlichen Landungstruppen besetzt und Livni und unsere Dorf waren plötzlich Hinterland des Feindes.
Jede Beschäftigung kam zum Erliegen, wir waren im besetzten Gebiet, obwohl wir selber keine Deutschen gesehen hatten. Ich erinnere mich, dass im Winter 1941 unser „Kindermädchen“ Vera zu uns gerannt kam und erzählte, dass auf der Straße zwei berittene Deutsche irgendetwas Unverständliches sagten. In der kalten Winterluft rannte ich auf die Straße und durch die Gemüsegärten und sah eine lange Kolonne Soldaten und diese zwei Männer versuchten den Weg nach Buchtiariovo rauszubekommen. Und ich begriff, dass sie sich zurückgezogen hatten.
Am Morgen, auf selbstgebastelten Schiern, ging ich aus dem Dorf heraus, hinter den Gemüsegärten und sah: das ganze Nachbardorf Burichki brannte. Die Deutschen zündeten und verbrannten alles beim Rückzug. Unser Dorf haben sie auch abgebrannt. Bis heute sehe ich noch vor meinen Augen diese Soldaten- Brandstifter in Reihe und Glied, die alles anzündeten. Sie gingen bis zum Ende unseres Dorfes, das sind 35 Häuser in einer Reihe am Ufer des Baches Krutez. Unsere Hütte war irgendwo in der Mitte. Sie zündeten sie an und gingen weg und sagten, dass sie morgen wieder kämen und alle nach Deutschland jagen würden. Wir blieben trotzdem und versuchten irgendwie unser Haus zu retten. Neben dem Haus war der Brunnen. Der Vater kletterte auf den Brunnenaufbau und ich schöpfte aus dem Brunnen einen Eimer Wasser nach dem anderen und reichte sie hoch und hängte sie am Hebel. Irgendwie haben wir versucht noch etwas vor dem Feuer zu retten. Ich habe fast den ganzen Brunnen leergeschöpft. Die Kleidung, die ich anhatte, war gefroren, gerade so wie die Rüstung eines alten Ritters. Dann sah ich hinter dem Gemüsegarten irgendeine Bewegung. Unbeobachtet ging ich etwas näher – zwei berittene Männer. Plötzlich hörte ich wie einer etwas auf Russisch sagte. Also waren das unsere Leute .Ich sprang von meinem Versteck auf und rannte zu ihnen. Das waren unsere Kundschafter. Ich berichtete ihnen unsere Lage:“ Die Deutschen sind jetzt nicht da, aber sie haben versprochen morgen wieder zu erscheinen“. Sie sagten mir: „ Rede kein dummes Zeug, Junge, morgen sind wir hier“. Und richtig, die Nacht verbrachten wir im Vorratskeller, die Hände wärmend über glühende Kohlen, die wir in einem großen gusseisernen Topf hineingeschüttet hatten. Ich bin trotzdem eingeschlafen. Ich hörte wie Vater schrie: „ Kriecht heraus, die Unseren sind gekommen!“. Ich schaute und sah, dass auf dem Boden die Soldaten schliefen. Neben den Speichern standen Kanonen, die auf das Dorf Gorodetskoe abgefeuert wurden, wo die Deutschen waren. Neujahr! Unsere Artilleristen feuerten lustig scherzend Geschoss nach Geschoss. So feierte ich das Neue Jahr 1942. Dann ging ich mit meinem älteren Bruder Ivan zu Fuß nach Livni (35 Km von unserem Dorf entfernt) zum Kriegskommissariat. So begann bereits mein militärisches Leben, das einschließlich bis März 1947 andauerte.
Zuerst kam ich zur Prüfung im Speziallager vom NKBD. War ich vielleicht vom Feind angeworben worden? Aber was tun? Anscheinend musste das so sein.
Ich erinnerte mich eines Vorfalls. Unser Militärzug hielt sich an irgendeiner kleinen dunklen Eisenbahnstation auf. Ich war müde und schlief ein. Ich höre: „Aussteigen! Einreihen!“ Ich stand auf, meine Mütze war verschwunden, draußen war es sehr kalt. Ich hatte einen kleinen Beutel, genäht aus einem Waffelhandtuch, in dem uns Mutter etwas Proviant für die Reise mitgegeben hatte. Der Proviant war schon lange aufgegessen worden und der Beutel war leer. Ich wickelte ihn wie ein Turban um den Kopf. Im morgendlichen Halbdunkel stellten sich alle in Reihe und Glied auf. Ich höre das Kommando. „Jahrgänge zweiundzwanzig und dreiundzwanzig Jahre, einen Schritt vorwärts! Anschließen!“ Wir gingen raus, kamen ein Schritt vorwärts und marschierten in Richtung der anderen. Es stellte sich heraus, dass sie die jungen Soldaten in das Maschinengewehrbataillon 358 Ersatz Frontregiment rekrutierten. Der politische Leiter kam auf mich zu und fragte mich, als er auf meinem Kopf den Turban gesehen hatte: „ Nazmien?“ (Schimpfwort für alle, die kein russisches Aussehen haben, speziell aus Nordkaukasus) „ Ja, nein, jemand hat meine Kappe in der Nacht gestohlen“. „Kannst Du zeichnen?“ „Woher wissen sie das?“ so ging es los. Anstatt zu lernen wie man mit dem Maschinengewehr „Maxim“ umgeht, musste ich das Lenin Zimmer ausstatten, die Wandzeitung „Der Maschinengewehrschütze“ gestalten, u.s.w.
Danach wurde die 2KAU (zweite Kiever Schützen Schule) in die Kosackensiedlung Razboischina bei Saratov evakuiert. Nach sechs Monate intensiver Lehre, war ich bereits am 15. Januar 1943 Leutnant der Artillerie. Ich wurde zum Vorsitzenden der Artillerie an die Südwest Front in der Nähe von Leningrad geschickt. Am Ende des Krieges war ich schon Oberstleutnant mit dem Dienstgrad eines Majors des 88 Artillerie-Regiments, (Aufklärung) 38 Gardeschützendivision.
Der Krieg endete und die zu groß ausgebreitete Armee musste aufgelöst werden, aber ich wurde aus dem Regiment nicht entlassen. Ich wollte in Friedenszeiten nicht in der Armee bleiben. Überhaupt gelang es mir nur mit Mühe den Dienst zu quittieren. Von 1946 bis 1958 lebte ich in Moskau und arbeitete im Klub der Fabrik „Rote Textilarbeiter“. Ich gestaltete Plakate Spruchbänder und Werbung für Kinofilme. Gleichzeitig von 1952 bis 1958 lernte ich im MGXI( Moskauer Staatliche Kunstakademie) genannt nach V.I. Surikov.
Als ich das Institut beendet hatte, wurde ich als Lehrer an der Kunstschule N.P.Schleina eingeteilt und nach Kostroma geschickt. Ich wurde dort sehr gut empfangen. Ich wohnte neben der Schule (Lehranstalt) im vorherigen Arbeitszimmer des Direktors A.I. Buzin. Zur selben Zeit machte ich die Bekanntschaft mit anderen Künstlern. Der Direktor der Künstlergalerie, der Bildhauer A.V.Schepiolkin, erwies sich als mein Schulkamerad.
Ich erinnere mich an einen lustigen Vorfall. Wir besprachen Landschaftsskizzen zu malen. Ich freute mich außerordentlich irgendwohin in den Wald oder sogar zum Ufer der Wolga zu gehen um zu malen. Der Vorsitzende des Verbandes V.P. Chochrin sagte, wir würden mit dem Auto fahren und wir sollten uns keine Sorgen machen. Seit dem Morgen war ich schon bereit, aber die anderen waren nicht in Eile und trödelten, so verging die Zeit bis zum Abend. Wir fuhren. Ich dachte, vielleicht male ich eine Abendstudie, wie schön! Wir fuhren zu irgendeinem Onkel Vasia. Ich ging raus auf Motivsuche, um mich am Anblick zu erfreuen. Ich näherte mich und sah viele Fische, die in einer Plane geschüttet waren. Man sagte mir “Aber wer wird für Dich den Fisch putzen?“ Am Abend haben wir uns ordentlich im Herbstwald am Ufer des Flusses betrunken. Liedern singend kamen wir zurück nach Hause. Überhaupt war diese Bekanntschaft sehr gelungen und die frische Fischsuppe hat sehr gut geschmeckt.
So war das. Nach Beendigung des Instituts wurde ich nach Kostroma geschickt und gleich bekam ich den Auftrag das Portrait einer fleißigen Melkerin zu malen, irgendeine Heldin der sozialistischen Arbeit. Es gab sogar zweifachen Heldinnen. Die Sofchose „Karavajevo“ war weit und breit bekannt, man kann sagen, auf der ganzen Welt. Ich bin in diese Landwirtschaft, wo diese Melkerin war, gefahren. Plötzlich, von unter der Kuh her, blitzten hell grau- blaue Augen der kleinen Melkerin Rojina zu mir empor. Dann malte ich sie direkt bei ihr zu Hause mit nur einer Sitzung. Das Portrait befindet sich im Museum für darstellende Kunst in Kostroma.
Die Wolga! In den kalten Novembertagen sah ich wie Frauen im geheizten Schleppkahn die Wäsche wuschen, sie dann im kalten Wasser spülten und sich dann die Hände zwischen den Knien wärmten „Wir frieren nicht leicht an den Händen!“ Sie lachten. So entstand das Bild „Abend an der Wolga“. Im Auftrag des OK KPSS( Regionalkomitees der kommunistischen Partei der Sowjetunion) wurde ich zu der Antropowski Holzindustrie geschickt und zum erstem Mal sah ich echte Holzfäller, Querschneider, Pfade und Lager – das alles sah ich überhaupt zum ersten Mal und ich begeisterte mich richtig, das ist kein Scherz. Ich erinnere mich, dass am Anfang sie auf mich geschaut haben als wäre ich irgend ein Korrespondent, aber als sie nochmal schauten und sahen, dass ich arbeite ,sozusagen ohne Unterbrechung, und als sie dann die ersten Studien und Zeichnungen nach der Natur gesehen hatten, fingen sie an sich dafür zu interessieren.
Ich überredete irgendeinen Vorgesetzten oder Vorarbeiter für mich zu posieren. Ich male, er steht, schaut auf seine Arbeiter, ruft ihnen etwas zu, er sagt sie arbeiten schlecht. Überhaupt es stört mich. Irgendwann in der Pause sagen sie mir: “ Lass ihn gehen. Er langweilt uns mit seiner Nörgelei. Aber wir können für dich Modell stehen.“ so viel Du willst. Da habe ich verstanden, dass sie mich als ihresgleichen betrachteten, genau das war mir wichtig, das wollte ich erreichen. So entstanden die Bilder „Holzfäller“, „Junge Brigade“, dann „Flößer“ und unzählige Studien. Das alles wurde in die ganze Welt verschickt, in verschiedene Länder Europas, Asien und sogar nach Australien. Nach Amerika kamen mit einem Mal an die 200 Arbeiten.
1960 wurde ich als Mitglied in den Verein der Künstler der CX (Verein der Künstler) CCCP und 1962 wurde ich ausgewählt als Vorsitzender der Führung der Organisation von Kostroma CX, wo ich 25 Jahre lang gearbeitet habe.
Ich war Mitglied in der Führung vom (Verein der Künstler russischer Sozialistischer föderativer Sowjetrepublik) CX CPFCP, Mitglied( Zentraler Revisionskomitee) ZPK CX CCCP. Ich war auch ein Delegierter auf allen Kongressen der Künstler. Gleichzeitig arbeitete ich als Lehrer der Fachdisziplin in der Kunstakademie. Später, als die Lehranstalt neu organisiert und in „ Fakultät für Bildende Kunst und Graphik“ unbenannt wurde, arbeitete ich dort noch ein Vierteljahrhundert. Aber das Leben diktierte eigene Regeln, mir war außerdem alles neu und interessant.
1962 kam ich zum ersten Mal in die „ Akademichka“. So wurde das Haus des künstlerischen Schaffens schlicht Akademische“ Dascha“ genannt. Dieser bekannte uns wunderschöne Ort befindet am See Mstinko nicht weit von Wyschnevo Woloschka im Twerskoi Gebiet. Dort kam alle zwei Monate eine Gruppe von die 50 bis 60 Künstlern zusammen, auch mal mehr, die im Freien arbeiteten und im sozialistischen Wettbewerb unterrichtet wurden. Am Anfang, nach dem schmutzigen Schnee in Moskau, blendete uns der saubere Schnee, der die Akademie Studenten verblüffte. Aber dann kam alles wieder in Ordnung. Man konnte gut arbeiten. Ich machte mich mit allen Studenten aus den verschiedenen Enden und Ecken des Landes bekannt. Wir arbeiteten vom Morgen bis zum Abend und bald war klar zu sehen wer es schafft und wer nicht. Sie lernten in der Natur und voneinander. Am Ende wurden alle Studien der Studenten einer Kommission, welche durch alle Werkstätte ging, vorgelegt. Der Vorsitzende der Kommission war fast immer IU. P. Kugasch. Der künstlerische Leiter war W.M. Sidorov. Überhaupt gefiel mir, ich weiß nicht mehr warum, dass sie mich zum „Kulturminister“ bestimmt hatten.
An den Samstagsabenden wurden verschiedene gesellige Abende im „ Batallion “der Werkstatt organisiert. Wir tanzten, sangen Lieder und Chastuschki (kurze russische mündliche Volksdichtung mit lyrischem oder aktuellem Inhalt). Ich, als „Kulturminister“ musste das alles organisieren. Ich bemühte mich, ich ruinierte mir dabei durch und durch die neue Schuhe auf dem Zementboden. Einmal ging die turnusmäßige Gruppe von Studierenden zu ende. Der künstlerische Leiter war damals ein bemerkenswerter Künstler aus Leningrad W.F. Zakonek. Im nächsten Kurs durfte er nicht bleiben, aber einen neuen Leiter konnte man in dieser Zeit nicht finden und so man ihn zu bleiben und doch noch zu arbeiten, aber er sagte: „ Ja, warum suchen! Hier steht Alexej Belych – schon ein fertiger chudruck. (Leiter der Künstler, Führer der Künstler) „. So kam es, also arbeitete ich ständig als chudruck fast ohne Pause, bis kurz vor 1991. Das letzte Mal wurde ich noch im Jahr 2000 dorthin eingeladen. „Akademitchka“ (Kleine Akademie) war keine Hochschule, obwohl es eine sehr große Schule war. Aber die Zeit vergeht und vieles ändert sich allmählich. Auch die “ Akademichka“ änderte sich; es wäre schön wenn sie der neuen Studenten Generation den Weg, auf dem schwierigen Pfad der darstellenden Kunst, erleuchten würde und helfen würde, den schmalen Grat des eigenen Weges zu finden. Das ist die Hauptsache.
Ich werde dieses Jahr, wenn Gott will, meinen 85. Geburtstag feiern. Ich bin älter geworden als meine Eltern, habe sogar einige meiner Schüler überlebt. Wie man sagt: „Durch Feuer, durch Wasser und die Kupferrohre gegangen„(Sprichwort). Aber noch glüht die Seele und möchte etwas ganz besonders Gutes machen, so dass die Leute beim Ansehen Freude empfinden könnten
Kostroma 2008 Jahr.